Etwas über ein Jahr ist es nun her, dass der ehemalige Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden mit seinen Enthüllungen erstmals an die Öffentlichkeit ging. Dies ist Anlass für uns, einen Blick auf das Thema Whistleblowing und den aktuellen Stand der NSA-Affäre zu werfen.
1) Whistleblower – notwendig aber unbeliebt
Es ist sehr einleuchtend, dass Militär- und Geheimdienstoperationen der Geheimhaltung benötigen, um wirksam durchgeführt werden zu können. Genauso selbstverständlich ist aber auch, dass Militär und Geheimdienste, zumindest zu einem gewissen Grad, der Aufsicht und Kontrolle der Gesellschaft unterliegen sollten, die sie beauftragt.
Dies ist in Zeiten in denen, wie in den USA geschehen, die verantwortlichen Mitarbeiter der Institutionen den parlamentarischen Kontrollgremien unter Eid offen ins Gesicht lügen, nicht einfach gewährleistet. Da erscheinen Whistleblower oft als einzige Möglichkeit um Missstände öffentlich zu machen und der Öffentlichkeit überhaupt ein Mindestmaß an Einblick zu ermöglichen.
Dabei ist Whistleblowing natürlich nicht unproblematisch, da die Arbeit der betroffenen Institutionen durch Offenlegung erschwert oder unmöglich gemacht wird. Daraus ergeben sich im konkreten Fall dann Gefahren für die beteiligten Mitarbeiter, z. B. bei der namentlichen Nennung geheimer Informanten. Zudem haben Enthüllungen von Staatsgeheimnissen aus Militär- und Geheimdienstkreisen auch ein großes diplomatisches Schadenspotential.
Dementsprechend hart wurde und wird gegen Whistleblower vorgegangen. So wurde Chelsea Manning (früher Bradley Manning) nach einem Prozess vor einem Militärgericht zu einer Freiheitsstrafe von 35 Jahren verurteilt. Der führende Aktivist des Enthüllungsportals Wikileaks, Julian Assange, hält sich aus Angst vor Verfolgung durch die amerikanischen Behörden seit über zwei Jahren in der ecuadorianischen Botschaft in London versteckt. Und auch Edward Snowden, der jüngste Fall in dieser Reihe spektakulärer Whistleblower, hält sich derzeit in Moskau auf und hat aus Angst vor Verfolgung aus politischen Gründen Asyl in der EU beantragt.
2) Zur Person Edward Snowden
Über Edward Snowden wissen wir durch das anhaltende Medienecho und nicht zuletzt durch ein sehr lesenswertes Interview im Magazin Wired mittlerweile eine ganze Menge. Dabei will das Bild eines eigensinnig handelnden Verräters und Dissidenten, das vor allem viele US-Medien versucht haben von Ihm zu zeichnen, nicht so recht zu ihm passen. Viel mehr scheint es sich bei Snowden um einen durchaus patriotischen und seinem Land sehr verbundenen Staatsbürger zu handeln. Als Hauptgrund für seine Enthüllungen nennt er ein von ihm empfundenes Ungleichgewicht im Verhältnis von Sicherheit und Terrorabwehr einerseits und der Wahrung freiheitlicher Grundrechte andererseits. Insbesondere die unverhältnismäßige Überwachung von Millionen von US-Bürgern kritisiert er stark. Darüber habe er eine Debatte anstoßen wollen, die es ohne seine Enthüllungen nicht gegeben hätte.
Insgesamt scheint er dabei sehr überlegt vorzugehen und die Konsequenzen seiner Handlungen gut abgewägt zu haben. So hat er sich von Anfang an namentlich zu seinen Taten bekannt, seine Motive offen gelegt und einen Rummel um seine Person bisher stets abgelehnt. Die von ihm enthüllten Fakten sind dabei nicht nur politisch und diplomatisch brisant, sondern auch für ihn persönlich mit drastischen Auswirkungen verbunden. Schließlich tauschte der 31-Jährige eine vielversprechende, sichere Karriere bei der NSA gegen ein Leben im Exil und in ständiger Angst vor Verfolgung. In den USA droht ihm ein Verfahren unter dem, zumindest fragwürdigen, Espionage Act. Sein Asylgesuch an die Staaten der europäischen Union wurden bisher abgelehnt.
Vor diesem Mut und diesem Eintreten für die eigenen Ideale kann man, muss man aber nicht, den Hut ziehen. In jedem Fall hat er sein Ziel erreicht und, nicht nur in den USA, eine breite Debatte zum Thema Überwachung und Geheimdienstkontrolle angestoßen. Für dieses Engagement ist er bereits vielfach ausgezeichnet worden. Aktuell diese Woche ist Snowden in Schweden mit dem Right Livelihood Award, bekannt als “Alternativer Nobelpreis” geehrt worden. Die Verleihung die seit 18 Jahren traditionell im schwedischen Außenministerium stattfindet, wurde dort nun erstmals nicht genehmigt. Dies zeigt, wie schwierig der Umgang mit dem Thema und der Person Snowdens im Hinblick auf diplomatischen Verwicklungen sein kann.
3) Stand der Aufklärung in Deutschland
Trotz viel erschütterten Reaktionen auf die Affäre aus allen politischen Lagern und dem spektakulären Ausmaß der Affäre, tut man sich hierzulande mit der Untersuchung der NSA-Affäre schwer. Insbesondere die aktuelle Regierung sträubt sich mit Verweis auf die geheimdienstliche Zusammenarbeit und diplomatische Gepflogenheiten gegen allzu detaillierte Aufklärung. Dies zeigt sich in der Art und Weise wie die Arbeit des Parlamentarischen Kontrollgremiums und des eigens vom Bundestag eingesetzten NSA-Untersuchungsausschusses zum Teil behindert wird. Nach langen ergebnislosen Diskussionen um eine Vernehmung Snowdens in Deutschland, werden dem Untersuchungsausschuss massiv geschwärzte Dokumente vorgelegt oder viele Akten mit fragwürdigen Gründen gänzlich vorenthalten.
Auch die amerikanische Seite scheint wenig Interesse an Aufklärung zu haben. Statt Unterstützung gibt es lediglich die vielfach gehörten Beschwichtigungen, Abwiegelungen und Appelle an Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit der befreundeten Nation. Auch Verweise auf die Notwendigkeit der entsprechenden Spionageprogramme aus Terrorabwehrgründen helfen bei der Ermittlung der tatsächlichen Verhältnisse nicht weiter. Aufgrund der festgefahrenen Situation haben Grüne und Linke im NSA-Untersuchungsausschuss nun Verfassungsklage eingereicht. Das Bundesverfassungsgericht soll nun klären, ob eine Vernehmung Snowdens in Deutschland notwendig ist. Ob der Klage stattgegeben wird, ist bisher noch nicht entschieden.
Abschließend kann man sagen, dass die ganze Thematik aufgrund der vielen betroffenen Bereiche, von den Daten und Rechten des Einzelnen hin zu globalpolitischen Verflechtungen, sehr komplex ist. Die Notwendigkeit, Legitimität und Verhältnismäßigkeit von staatlichen und ausländischen Spionagemaßnahmen realistisch einzuschätzen ist für den Einzelnen nahezu unmöglich. In Anbetracht von bereits enthüllter Datensammelwut, Missbrauchsfällen und vereinzelten Unaufrichtigkeiten der Dienste und Regierungen, scheint als besorgter Bürger eine gewisse Sorge um die eigenen Daten und Grundrechte, auch über die politischen Lager hinweg, zumindest angebracht. Dies gilt natürlich auch für Unternehmen und Regierungsstellen, die genauso betroffen sind.
Es bleibt zu hoffen, dass die Aufklärung, wenn auch schleppend, weiter voranschreitet. Aber ob das wirklich geschieht? Wir sind gespannt!